Zum ersten mal trampen – die Geschichte möchte ich heute mit euch teilen #storytelling

Eine tolle Gemeinschaft, in der ich dort lebte. Dubbo, ein kleines Dorf im Staat NSW in Australien. Zwei Freunde hatten mich vor 5 Monaten hierher gebracht. Wir fuhren 4000km durch die Mitte Australiens am bekannten Uluru vorbei, um unseren neuen Job im Schlachthaus anzutreten. Ganz genau, du hast richtig gelesen!
Wir befinden uns im Jahr 2016 und ich war noch kein Vegetarier, außerdem zu diesem Zeitpunkt etwas verzweifelt nach einem Job.
Über 5 Monate hatte ich hier nun on/off gearbeitet. Zwischenzeitlich hatte ich noch einen Monat in Neuseeland verbracht und einen Monat zu Besuch in Deutschland über Weihnachten in meinem ersten Work and Travel Jahr.

Was mich hier so lange gehalten hat, war allerdings nicht die Arbeit, sondern meine tolle WG, in der ich hier wohnte. Wir lebten hier in drei Häusern einer ruhigen Straße, die unser Personalmanager an uns vermietete. Insgesamt waren wir um die 20 Leute, die in 3 Häusern lebten. Verschiedenste Nationen mischten sich hier, natürlich waren ein paar deutsche dabei, aber auch Süd-Koreaner, Belgier, Kanadier, Japaner, Engländer, Franzosen, Dänen, Neuseeländer… Unsere Joberfahrung hier schweißte uns zusammen. In der Woche haben wir tolle Movie nights gemacht oder saßen zusammen in unserem Garten. Am Wochenende hatten wir tolle Parties und BBQs zusammen.
Aber jetzt war es endlich an der Zeit weiter zu ziehen. Meine Reisekasse wollte ich trotzdem noch etwas auffüllen und ich habe einen neuen Job auf einer Milchfarm angenommen. Allerdings war dieser ungefähr 1200km weit weg. Ein Bus gab es für diese Strecke nicht, der Zug nach Melbourne meinem ersten Zwischenstopp nach 900km war sehr teuer. Ich entschied mich dazu endlich mal das trampen für mich auszuprobieren.

Montag morgen, noch ein bisschen verkatert vom Wochenende stehe ich auf und habe meinen letzten Kaffee und Frühstück in meiner WG. Mein Gepäck wartet auf mich. Die letzten Monate war ich immer in einem Auto gereist und musste es schon lange nicht mehr wirklich auf meinem Rücken tragen, vor allem hatte ich bisher nie dieses Zelt und diese riesige Isomatte mitgeschleppt. Als ich alles aufschnalle bin ich geflasht. Man, also das ist wirklich schwerer als gedacht, aber ich bin ready! Mein guter Freund Daniel kommt ins Zimmer. Wir hatten ein tolles letztes Wochenende. Eine Träne läuft über mein Gesicht. Er lächelt mich an, nimmt meine Hand “Komm – los geht’s!”. Einige meiner Mitbewohner haben heute ihren freien Tag und begleiten mich nach draußen. Ich bin stolz! Vor ziemlich genau einem Jahr war ich hier in Australien mit einer Freundin angekommen und habe diesen riesigen Trip gestartet, mit so vielen Ängsten, die in mir schlummerten. Nun machte ich mich ganz alleine auf, um meinen Daumen rauszustrecken und auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten, um knapp 1000km hinter mich zu bringen.

Erstmal hatte ich ein Stück zu laufen, um aus dem Wohngebiet rauszukommen und an die Hauptstraße zu gelangen. Zum Glück gab es hier nicht viele Straßen, die raus oder rein führten. Also machte ich mich auf den Weg Richtung Melbourne. Nach ca. 10 Minuten musste ich eine Pause machen. Ich schnallte mein Gepäck nicht ab, es saß perfekt und ließ mich nur mit meinem Popo auf einen Bordstein plumpsen. Kurz durchschnaufen und weiter geht’s. Leichter gesagt als getan. Ich kam nicht mehr hoch. Im Gegenteil, mein Backpack zog mich zurück und ich lag mit meinem Rücken auf meinem Gepäck wie eine Schildkröte rücklings auf ihrem Panzer. Hoffentlich hat das niemand gesehen! Jetzt hätte ich allerdings gerne ein Foto oder Video von dieser ulkigen Situation. Irgendwie schaffte ich es dann doch wieder auf meine Beine und nach weiteren 10min stand ich endlich am Highway. So weit war es ja zum Glück nicht gewesen. Mein Bauch rumorte. Jetzt war ich doch ganz schön aufgeregt, als ich hier so alleine stand. Ein Auto kommt, allerdings die falsche Richtung. Da taucht noch eins auf, ich drehe mich weg und muss nochmal durchatmen. Nicht viele Autos fahren hier her, die meisten auch grad irgendwie in die falsche Richtung. Endlich stoppe ich mein erstes Auto. Allerdings möchte der Fahrer nur ins nächste Dorf und da eh alles am gleichen Highway liegt, kann ich auch direkt hier auf das nächste Auto warten, das hoffentlich ein Stückchen weiter fährt. Kurzdrauf kommt ein LKW vorbei. Fahre ich jetzt wirklich bei einem Trucker mit? Mein Arm steigt in die Höhe und ich strecke meinen Daumen raus. Er hält! Mein Herz pocht wie verrückt. “Wo möchtest du denn hin?”, fragt er mich. “Bis nach Melbourne, aber ich freue mich auch schon, wenn ich nur ein bisschen näher ran komme.”, antworte ich ziemlich aufgeregt. “Melbourne? Na da geht’s tatsächlich für mich hin. Eigentlich erst morgen, denn das werden ca. 10 weitere Fahrstunden sein, aber mal sehen was sich machen lässt. Spring rein!”. Ich habe ein gutes Gefühl. Natürlich ein Truckie, aber der hier scheint wirklich nett. Natürlich hört man immer irgendwelche Horrorstories und als erstes kommt einem wohl der Horrorfilm “Wolf creek” ins Gedächtnis. Aber ich habe mir vorgenommen zwar vorsichtig zu sein und meiner Intuition zu folgen, aber diese ganzen Ängste werden mir nicht mehr im Weg stehen! Sonst dürfte ich wohl nicht mal mehr in ein Auto steigen, wer weiß, vielleicht habe ich einen schweren Unfall… Jedenfalls hatte ich ein gutes Gefühl und stieg ein. Erstmal unterhielten wir uns viel über meine Reise, was ich in meinem ersten Jahr hier in Australien alles erlebt hatte und wo ich schon überall war. Natürlich fragte er mich auch, ob ich denn keine Angst hätte einfach bei jemandem einzusteigen. Ich erzählte ihn von meinen Ansichten und dann erzählte er mir von seiner unglaublichen Geschichte. Aufgrund seiner Erfahrungen, müsste er nämlich viel mehr Angst haben mich mitzunehmen! Es war schon ein paar Jahre her, aber damals war er mal wieder an der Ostküste unterwegs und zwei junge Mädchen standen am Straßenrand und warteten auf eine Mitfahrgelegenheit. Er stoppte und die beiden fuhren mit ihm. Plötzlich änderte sich jedoch die komplette Situation und eines der Mädchen zückte ein Messer. Sie bedrohten ihn, wollten sein Geld. Beide waren erst 18 und waren zwei Backpackermädchen aus England.

Auch wenn alles erstmal ganz schön erschreckend war, wusste er, die meinen es nicht wirklich ernst und machen das hier zum ersten mal. Er schaffte es zunächst anzuhalten und dann dem Mädchen das Messer zu entwenden. Beide waren schockiert, was sie dort eigentlich grade versucht hatten. Sie hatten Angst vor Polizei und Eltern. Im Endeffekt ließ der Truckie beide laufen und alle kamen mit einem Schreck davon. Seitdem nahm er eigentlich keine Backpacker mehr mit, jetzt war er aber froh mich als Gesellschaft zu haben auf dieser langen, langweiligen Fahrt. Wir stoppten irgendwann für Kaffee und Sandwiches, er lud mich ein. Zwischendurch telefonierte er mit seiner Frau und seinem 3 jährigen Sohn. Er entschied, auch wenn es spät werden würde, er würde mich heute noch bis nach Melbourne bringen. Hier wartete meine Freundin Jesse auf mich. Nach vielen Stunden schmiss er mich kurz vor der Stadt raus. Ich hatte noch nicht mal mein Gepäck wieder ganz aufgesetzt, da hielt ein Auto neben mir. Ein junger Mann wollte mir helfen und mich nicht an dieser vielbefahrenen Straße entlang laufen lassen. Ich hätte wohl noch eine halbe Stunde laufen vor mir gehabt. Jedoch hatte ich so viel Glück, dass mich der nette junge Mann bis vor die Haustür meine Freundin fuhr! Jesse wohnte super zentral in einem tollen Apartmentblock. Auch sie hatte ich vorher in Dubbo kennengelernt, nur lebte sie Melbourne City life. Ich konnte es gar nicht glauben, wie schnell und vor allem, dass ich ganz ohne einen Cent zu bezahlen hier angekommen war. Was ein Abenteuer. Jetzt genoss ich die Aussicht über Melbourne City, vor allem den Sonnenaufgang am nächsten Morgen. Ich war begeistert von meiner ersten Tramper Erfahrung. Das würde ich auf jeden Fall nochmal ausprobieren. Nun ging es jedoch erstmal Kühe melken….

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Ich bin Carolin, geboren 1993 und seit 2016 bin ich Vollzeitreisende. Hier auf meiner Seite nehme ich dich mit auf meine Reise.
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